Bürokratieabbau

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern hat der Wirtschaftsminister zu einem wirklich wichtigen Gipfel eingeladen: 140 konkrete Vorschläge, wie man Unternehmen von den lähmenden und den hinderlichen Teilen von Bürokratie entlasten kann – eine richtig gute Geschichte. Wir haben gerade in der Debatte gehört: Das ist ein Anliegen der kompletten Bundesregierung. – Ich nehme an, es ist auch ein Anliegen der Opposition, des demokratischen Teils, etwas zu tun. Manche Vorschläge sind schlichter, manche sind ein bisschen ausgereifter. Wir arbeiten an den ausgereiften Vorschlägen, weil das wichtig ist, weil wir dieses Land voranbringen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben ja gerade schon mal 45 Minuten über Bürokratieabbau diskutiert, und jetzt reden wir über – Bürokratieabbau. Man könnte das zumindest denken, weil es auf den Monitoren steht. Aber ich möchte Ihnen auf den Tribünen und auch Ihnen zu Hause einfach mal darstellen, was hier gerade passiert; denn das ist sinnbildlich für das, was wir hier häufig erleben. Man hätte theoretisch all die Dinge, die jetzt gerade diskutiert werden, auch im Tagesordnungspunkt vorher diskutieren können; aber es gibt eine Fraktion in diesem Haus, die hat offensichtlich nichts zu tun, außer im Plenum schlechte Stimmung zu verbreiten. Sei es drum! Kümmern wir uns um das, was heute hier ansteht, und beschäftigen uns mit dem Antrag, der vorliegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wenn man sich das anschaut, dann wird eines sehr deutlich: In diesem Antrag wird alles abgebaut, aber sicherlich nicht Bürokratie. Was abgebaut wird, sind Menschenrechtsstandards, Kinderarbeit irgendwo auf der Welt – ach Herrgott, irgendwas ist immer –, Klimaschutz – was soll denn das alles? das will diese Fraktion rechts außen sowieso nicht – und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte. Sollte irgendjemand glauben, diese Fraktion täte etwas für den kleinen Mann: Das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sich an, was diese Fraktion hier schreibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Bernd Riexinger [DIE LINKE])

Ich will deswegen einfach mal sehr deutlich sagen, was hier eigentlich passiert. Diese Fraktion rechts außen sucht sich jeden Anlass aus, um mit einem ganz, ganz schlimmen bösen Begriff ein Horrorszenario an die Wand zu malen: Überfremdung, Entvölkerung, Gender-Gaga, Klimawahn oder jetzt Deindustrialisierung. Und man denkt sich: Ogottogott! Deindustrialisierung, das kann doch niemand wollen. Gut, dass das mal jemand thematisiert.

(Zuruf von der AfD: Das ist doch die Tatsache!)

Und soll ich Ihnen was sagen, meine Damen und Herren? Soll ich Ihnen sagen, was das reale Deindustrialisierungsrisiko in diesem Land ist?

(Enrico Komning [AfD]: Machen Sie mal die Augen auf!)

Was bedroht denn unseren Industriestandort? Was bedroht denn unseren Wirtschaftsstandort?

(Enrico Komning [AfD]: Ihre Koalition!)

Das ist doch die Abschottung! Das ist doch das Zurück ins nationale Klein-Klein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist doch der Wunsch – das treibt diese Fraktion rechts außen an –, die Europäische Union zu zerstören, aus ihr auszutreten, was aber unseren Wohlstand gefährden würde.

(Enrico Komning [AfD]: So ein Blödsinn!)

Unser Wohlstand baut darauf auf, dass wir Teil des europäischen Binnenmarktes sind. Diese Fraktion rechts außen will dieses Land deindustrialisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Schauen wir uns an: Was ist noch eine große Gefahr für unseren Industriestandort, wenn sich dieser Standort eben nicht den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft stellt? Unter anderem die Frage der Klimaneutralität. Die Märkte der Zukunft werden klimaneutral sein. Will Deutschland dabei sein oder von außen zugucken? Diese Fraktion will dieses Land deindustrialisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und zu guter Letzt: Was ist eine weitere Gefahr für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland? Der Fach- und Arbeitskräftemangel, den wir überall erleben: in der Industrie, im Handwerk, überall. Und was wären zwei mögliche Maßnahmen, ganz schnell Abhilfe zu schaffen?

Die eine Maßnahme wäre doch, die Erwerbstätigkeit von Frauen, die gerade gegen ihren Willen davon abgehalten werden, mehr als Teilzeit zu arbeiten, weil die Betreuungsinfrastruktur nicht ausreicht, voranzubringen. Da muss für Lösungen gesorgt werden, damit wir dieses Fach- und Arbeitskräftepotenzial nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Diese Fraktion rechts außen will Frauen zurück an den Herd schicken. Diese Fraktion will Deutschland deindustrialisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] – Enrico Komning [AfD]: So ein Blödsinn!)

Und als Zweites: Es ist doch eine zentrale Aufgabe für uns, Fachkräfteeinwanderung endlich voranzubringen, weil wir die Menschen brauchen, um die Herausforderungen der Wirtschaft zu lösen. Was macht diese Fraktion?

(Enrico Komning [AfD]: Wir wollen auch Fachkräfteeinwanderung!)

Sie sorgt dafür, dass ganze Regionen in diesem Land No-go-Areas für Migrantinnen und Migranten werden

(Lachen bei der AfD)

und dass Menschen, die sich überlegen, wohin sie mit ihrer Ausbildung, mit ihrer Expertise gehen sollen, bald um dieses Land einen großen Bogen machen, weil es Ihre, weil es diese rechte Fraktion ist, die dafür sorgt, dass ein vergiftetes Klima des Hasses und der Ausgrenzung herrscht

(Enrico Komning [AfD]: Das ist Demagogie!)

und sich Menschen Sorgen machen müssen, ob sie auf dem Weg vom Arbeitsplatz nach Hause bespuckt und angepöbelt werden. Diese Fraktion rechts außen will dieses Land deindustrialisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD: Irre! Völlig irre!)

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, das herauszuarbeiten; aber es ist auch wichtig, Ihnen eine gute Botschaft zu nennen. Machen Sie sich keine Sorgen! Bei all dem Stress und Streit, den wir zwischen Union, Linken und der Koalition haben, bei einem sind wir klar: Die da werden nicht gewinnen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bernd Riexinger hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Letzte Rede! – Gegenruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU]: Der Zuruf war gemein!)

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