Wasserstofhochlauf

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Woche über den Stand der deutschen Einheit diskutiert. Wenn ich mir hier die Vibes zwischen Klaus Ernst und der Unionsfraktion anschaue, muss man sagen: Vielleicht wächst endlich zusammen, was zusammengehört, auch in manchen unerwarteten Fragen. Wir werden uns alle gemeinsam anschauen, in welche Richtung sich das Parteiensystem entwickeln wird.

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Nicht Ihr Ernst! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir debattieren heute über einen Antrag der Unionsfraktion, der schon vor der Sommerpause eingebracht wurde. Herr Jung, wenn ich Ihre Rede höre, so scheint mir, Sie haben gar nicht mitbekommen, was zwischen der Einbringung des Antrags und der Befassung heute eigentlich alles passiert ist. Sie sprechen ja von einem Stand, als hätten Sie nicht mitbekommen, was in den letzten Monaten alles auf den Weg gebracht wurde. Sie haben 40-, 50-mal von Ankündigungen gesprochen. Frau Nestle hat Ihnen doch dargelegt – ich mache das an ein paar anderen Beispielen auch noch –, was alles schon konkret getan wird.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Geplant! Getan wird nichts!)

Diesen Winter werden die ersten Zuschläge im H2Global-Programm für Wasserstoff und Derivate vergeben. Da geht es nicht nur um eine Importstrategie; der Import wird schon organisiert.

(Zuruf des Abg. Andreas Jung [CDU/CSU])

Und ich sage Ihnen noch eines: Der Import wird mit dem Haushalt, den wir in diesem Jahr beschließen werden, sogar noch mit zusätzlichem Geld angereizt: Es gibt über 1 Milliarde Euro mehr für Verpflichtungsermächtigungen, damit Verträge in einem klugen System abgeschlossen werden können. Das ist es doch, was passiert, nicht das, was Sie hier darstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das kann ich an vielen anderen Stellen belegen.

Herr Jung, Sie haben heute wie Ihre Fraktion an so vielen Stellen von Pragmatismus und Ideologie gesprochen und dabei immer impliziert, Pragmatismus sei bei Ihnen zu Hause und Ideologie ganz woanders.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Deswegen will ich mal fragen: Ist es denn pragmatisch, dass man, wenn man weiß, dass der grüne Wasserstoff das Ziel ist, 16 Jahre lang alles dafür tut, dass die Voraussetzungen dafür nicht da sind, weil es keinen Netzausbau gibt und weil der Ausbau der Erneuerbaren nicht richtig vorangetrieben wird? Ist das Pragmatismus, oder ist das vielleicht Ideologie, Herr Jung?

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist einfach nicht wahr! In Bayern sind wir zum Beispiel an der Spitze bei allen Formen der Erneuerbaren!)

Und ist es denn pragmatisch, dass man, wenn man weiß, wie viel das alles kosten wird und dass es für die Dekarbonisierung der Industrie und für die Klimaschutzverträge – auch Dinge, die diesen Herbst anlaufen – öffentliches Geld braucht, wegen der 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds klagt? Wenn Ihre Klage erfolgreich ist – ich glaube es nicht –, würde alles abgewürgt, was wir tun, damit der Wasserstoffhochlauf vorangetrieben wird, sogar die Finanzierung der Projekte, die Ihre Vorgängerregierung mit H2Global auf den Weg gebracht hat. Ist das pragmatisch, oder ist das Ideologie? Ich glaube, das ist Ideologie und eben nicht Pragmatismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ist es nicht eher umgekehrt? Ist es wirklich Ideologie, wenn die Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung, der Ampel, die vor wenigen Wochen hier vorgestellt wurde, was Sie anscheinend gar nicht mitbekommen haben, die Öffnung für blauen Wasserstoff beinhaltet, die in Ihrer Strategie gar nicht angelegt war? Ist das Ideologie, oder ist das nicht der Pragmatismus, den wir brauchen?

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: CCS!)

Zum Pragmatismus gehört auch – damit gehe ich auf die vielbeschworene Farbenlehre ein; Sie haben vom Regenbogen gesprochen –, dass es klug ist, zu sagen: Weil wir wissen, dass es hier pragmatische Lösungen braucht, ermöglichen wir im Hochlauf auch den Einsatz von blauem Wasserstoff. Aber wir wollen doch keine Anreize für Fehlinvestitionen setzen. Wir wollen doch, dass die, die überlegen, wohin sie ihr Geld geben, in die Elektrolyse investieren und nicht in die Erdgasförderung. Das ist doch pragmatisch und nicht ideologisch, Herr Jung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Torsten Herbst [FDP])

Meinetwegen können Sie persönlich alle Farben des Regenbogens einsetzen: Türkis, Orange, Violett, Rhöndorf-Blau, Cadenabbia-Türkis. Machen Sie das! Aber erwarten Sie doch bitte nicht, dass der Staat die falschen Entscheidungen dann auch noch mit Geld unterstützt, während Sie sogar dafür sorgen wollen, dass er weniger Geld zur Verfügung hat, um das Richtige zu tun! Das ist doch nicht pragmatisch, das ist ideologisch, Herr Jung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich freue mich auf weitere Anregungen aus Ihrer Fraktion. Und wenn Sie beim nächsten Mal die Wahrnehmung darauf richten, was die Ampel tut, und nicht nur auf das, was Sie gerne hätten, was sie nicht getan hat, dann kommen wir miteinander sogar noch weiter.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Torsten Herbst [FDP])

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