Cosco & Co: Wir brauchen eine neue China-Strategie

Der NDR hat mit seiner Berichterstattung über die Bestrebungen, einen 35%-Anteil des Containerterminals Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) an die chinesische Staatsrederei Cosco zu verkaufen, die Debatte über die zukünftige China-Politik der Bundesrepublik angefacht. Dabei sind sechs Ministerien unter Führung aller drei Koalitionspartner (Wirtschaft, Finanzen, Verteidigung, Außen, Innen und Verkehr) einvernehmlich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht im Interesse der Bundesrepublik ist, diesem Verkauf zuzustimmen. Das Kanzleramt sieht die Lage anders – das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.

Ich war im Sommer als Berichterstatter für maritime Wirtschaft der grünen Bundestagsfraktion in Hamburg und habe dort auch mit den beteiligten Akteuren über diese Frage gesprochen. Vor Ort sieht man eine mögliche Ablehnung der Beteiligung – darüber ist auch öffentlich berichtet worden – als große Gefahr für den Hafenstandort. Auf der einen Seite stehen also die wirtschaftlichen Interessen des Hamburger Hafens und der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Erste Bürgermeister, Peter Tschentscher, hat sich öffentlich sehr stark damit exponiert, dass er einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen europäischen Häfen befürchtet, wenn dieser Verkauf gestoppt wird.

Ihnen gegenüber stehen aus meiner Sicht höher liegende sicherheits- und geopolitische Interessen der Bundesrepublik und der Europäischen Union. Die Argumente des Hafens und des Betreibers des Terminals habe ich mir angehört, aber sie überzeugen mich nicht.

Wir haben als Grüne schon vor der Bundestagswahl gesagt, dass es eine andere Positionierung Deutschlands gegenüber autoritären Regimen wie China braucht. Die Energiekrise, die wir gerade erleben, ist das Ergebnis einer willentlich eingegangenen Abhängigkeit von fossilen Importen aus Russland. Die große Koalition hat sogar nach der Annexion der Krim noch Gasspeicher an Russland verkauft. Im Ergebnis waren sie zu Beginn des Überfalls auf die Ukraine im Februar faktisch leer – die Folgen sind bekannt.

Ich meine, wir sollten aus diesen Erfahrungen lernen. Mittlerweile gibt es zurecht eine neue Sensibilität dafür, ob wir uns aus kurz- und mittelfristig nachvollziehbaren wirtschaftlichen Motiven erneut erpressbar machen wollen. Es geht um nicht weniger als unsere geopolitische Souveränität.

China verfolgt eine sehr gezielte Strategie. Es geht darum, mittels breit gestreuter Beteiligungen ökonomischen Druck auf politische Entscheidungen und auf Unternehmen auszuüben. Auch eine Minderheitsbeteiligung bedeutet, dass China Geschäftsführungen stellt, Einblick in die Bücher von (im Falle von Häfen in der Regel) kommunalen oder Landesunternehmen erhält und damit natürlich einen Zugriff auf kritische Infrastruktur hat.

Nicht nur in Hamburg, auch in Duisburg ist Cosco schon jetzt mit 30 Prozent am Gateway Terminal beteiligt, der gerade entsteht. Es gibt viel Anlass, auch in Duisburg die wirtschaftlichen Beziehungen mit China vor diesem Hintergrund zu überdenken. Die Beteiligung von Cosco an diesem Terminal ist der konsequente, aber aus meiner Sicht falsche Schluss aus einer langjährigen Strategie der Stadtspitze mit dem Ziel, Duisburg zur europäischen China-Stadt zu entwickeln.

Wie auch in Hamburg hat man hier gesagt: Wenn das China-Geschäft nur unter den Bedingungen möglich ist, die von Peking diktiert werden, dann tun wir das. Ich halte das für einen Fehler. In Duisburg wurden auch an aNieren Stellen Abhängigkeiten geschaffen und Ideen wie die, die Digitalisierung der Stadt dem faktischen Staatskonzern HUAWEI anzuvertrauen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Dass diese Abhängigkeiten wirklich beidseitig und ausgeglichen sind und wir zum Beispiel im theoretischen Falle eines Angriffs Chinas auf Taiwan die Kraft hätten, Sanktionen mitzutragen, möchte ich in Frage stellen. Eine 30-prozentige Beteiligung an einem Terminal durch einen faktisch chinesischen Staatskonzern ist nicht der richtige Weg. Deshalb bin ich der Auffassung, dass das korrigiert werden sollte.

Zu dieser Frage habe ich mit der Rheinischen Post in Duisburg ein Interview geführt und auch gegenüber t-online meine Position deutlich gemacht.

 

Deutschland und die Europäische Union können nicht ohne China, aber sie müssen ihr Verhältnis zu China neu definieren. China ist für die EU systemischer Rivale, Wettbewerber und Partner – und entlang dieses Dreiklangs gilt es die zukünftigen Beziehungen zu China auszutarieren. Das fängt im Kleinen und Konkreten an und muss zu einer abgestimmten deutschen und europäischen China-Strategie führen, die Entflechtung als Teil strategischer Souveränität versteht.

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