Haushalt 2022 - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Protokoll

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 18. Januar 1977 verdoppelten sich in Ägypten von einem Tag auf den anderen die Preise für Brot, Mehl, Zucker und andere Grundnahrungsmittel. Tags zuvor hatte der damalige ägyptische Präsident Anwar al-Sadat die staatlichen Subventionen gestrichen. Tags darauf kam es zu Protesten. 6 Millionen bis 9 Millionen Menschen gingen auf die Straße, etwa 100 bezahlten mit ihrem Leben. Diese blutigen Tage sind in die ägyptische Geschichte als die sogenannten Brotunruhen eingegangen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Brotunruhen sind nur eines von vielen Beispielen in der Geschichte und nicht mal das dramatischste dafür, wie am Beginn von Leid und Konflikt die Sorge vor Hunger und vor Mangel steht. Wenn wir in diesen Tagen über die Auswirkungen des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine auf die weltweite Sicherheit sprechen, dann dürfen wir nicht den Fehler machen, unser Verständnis von Sicherheit zu verkürzen und zu begrenzen. Sicherheit ist offensichtlich mehr als militärische Stärke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir werden – und das ist richtig – die Bundeswehr besser ausrüsten. Aber wir dürfen bei alldem nicht vergessen, dass wir gleichzeitig unseren Kampf gegen Hunger und Armut auch entsprechend finanziell fortführen müssen. Denn jeder Euro, den wir in stabilisierende und präventive Maßnahmen, in zivile Krisenprävention, in die Unterstützung der Zivilgesellschaft in fragilen Ländern und vieles mehr stecken, verringert die Gefahr für kriegerische und blutige Auseinandersetzungen in der Zukunft.

Meine Damen und Herren, die Coronapandemie, die globale Pandemie hat auf die globalen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten noch mal verstärkend gewirkt. Die Zahl der Menschen, die unter extremer Armut leiden, ist so hoch wie in den letzten Jahren nicht und steigt wieder. Frauen und Mädchen sind besonders betroffen. Die Klimakrise, die globale Erderhitzung trifft viele Regionen jetzt schon dramatisch.

Es gibt zahlreiche Krisen. Die Lage ist ernst. Die Herausforderungen sind groß, und sie werden größer. Ja, in dieser Situation ist eine Streichung von 1,6 Milliarden Euro im Haushalt gegenüber dem letzten Jahr das falsche Signal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Andrej Hunko [DIE LINKE] – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: So ist es!)

Deswegen werden wir – Herr Gröhe, zu Ihnen komme ich gleich –, wenn wir über den Ergänzungshaushalt sprechen, darauf hinwirken, dass der Etat, der ja die Folgen des Krieges in der Ukraine abbilden soll, eben auch die globalen Folgen berücksichtigen wird.

Herr Gröhe, ich kann mich noch sehr gut an die Debatte zum entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung, die wir hier vor ein paar Wochen geführt haben, erinnern. Da gab es hier ja viel Tumult, viel Aufregung und hochrote Köpfe. Schon damals hat Ihnen mein Kollege Jan-Niclas Gesenhues vorgerechnet, dass es der Finanzplan der Großen Koalition unter Führung der Union war, der genau diese Reduktion vorgesehen hat, der ein sinkendes Plateau vorgesehen hat.

(Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Scholz! Finanzminister Scholz! – Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Das war Herr Scholz! Ihr Bundeskanzler!)

– Sie sind ja gleich dran, Herr Dr. Stefinger.

Ich war gestern anwesend, als Herr Dobrindt gesprochen hat, und ich war heute Morgen anwesend, als Herr Merz gesprochen hat. Vielleicht tauschen Sie mal die Nummern untereinander aus; Sie scheinen da nämlich ein paar Diskussionen vor sich zu haben. Wenn Herr Dobrindt sagt, der Verteidigungshaushalt müsse eigentlich allein aus Mitteln des Kernhaushaltes anwachsen und es müsse eben woanders gespart werden, dann müsste hier zwingend noch stärker gespart werden. Deshalb ist es unehrlich, was Sie hier aufführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wenn Sie dafür sorgen wollen, dass dieser Etat ansteigt, haben Sie uns auf Ihrer Seite. Aber dann machen Sie es überall deutlich, und zwar auch in der Fraktionsspitze.

Meine Damen und Herren, ich will zum Ende drei Punkte hervorheben, die für uns und für mich wichtig sind:

Erstens. 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens gehen in Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe. Das ODA-Ziel von 0,7 Prozent wird auch erfüllt, unter anderem deswegen, meine Damen und Herren von der Union, weil gegenüber dem Entwurf der Vorgängerregierung noch mal 1 Milliarde Euro draufgesetzt wurden. Das ist es, was wir wollen. Das ist es auch, was wir in den nächsten Jahren wollen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dieses Niveau gehalten wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zweitens. Wir werden morgen noch viel über den Klimaschutz sprechen. In dieser Situation muss uns allen klar sein, dass wir insbesondere für den globalen Klimaschutz und für die internationale Klimafinanzierung mehr tun müssen, dass wir das auf eine gute finanzielle Basis stellen müssen, dass wir Energiepartnerschaften auf Augenhöhe stärken müssen. Das ist eine Priorität dieser Koalition.

Drittens. Nach zwölf Jahren Dirk Niebel und Gerd Müller an der Hausspitze will ich noch eines bemerken: Es gibt keine globale Gerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Krisen, von denen wir gesprochen haben, treffen Frauen und Mädchen besonders stark. Eingriffe in die reproduktiven Rechte, Zwangsverheiratung und vieles mehr – all das nimmt zu. Unsere Antworten – jetzt wird es wahrscheinlich gleich ganz rechts außen unangenehm laut – sind eine feministische Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Da haben Sie uns an Ihrer Seite, Frau Ministerin, so wie Sie uns immer an Ihrer Seite haben, wenn Sie gute Prioritäten setzen. Da, wo das vielleicht noch nicht ganz der Fall ist, helfen wir im Haushaltsverfahren gerne nach. Ich freue mich darauf.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Michael Espendiller für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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