Haushalt 2023: Wirtschaft und Klimaschutz, Epl. 09

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der Zeitung gelesen, dass es bei Ihnen in der Fraktion eine einstündige Debatte

darüber gab, ob Sie die oberste Kreml-Lobbyistin Sahra Wagenknecht in dieser Debatte reden lassen wollen. Ich sage in aller Verbundenheit: Das war eine dumme

Idee, eine richtig, richtig schlechte Idee.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämtheit!)

Herr Spahn, Sie haben gerade sechs Monate mit 16 Jahren verglichen. Ich übersetze das einmal in die gleiche Einheit: 192 Monate hat die unionsgeführte

Regierung alles dafür getan, den Ausbau der Erneuerbaren zu verschleppen, den Ausbau der Stromnetze zu verschleppen.

(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Das gilt insbesondere bei Ihnen in Bayern, Herr Dobrindt. 192 verlorene Monate, und das geht weiter bis heute. Fünf Minuten Redezeit hatten Sie zur

Verfügung: kein Wort zum Ausbau der Erneuerbaren, kein Wort zum Ausbau der Stromnetze für die Versorgungssicherung.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

Das ist Ihre Politik.

In den Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen haben wir stundenlang diskutiert, weil Sie jedes Windkraftwerk, weil Sie jedes Solarpanel

verhindern wollten

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie verhindern die Biomasse!)

mit Rücksicht auf die Wähler in den Wahlkreisen.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wenig Ahnung, dafür ganz schön viel Meinung!)

Ich habe folgende These, meine Damen und Herren: Wenn in einer Debatte zum Thema Atomkraft nur noch Abgeordnete reden würden, die bereit wären, in

ihrem Wahlkreis ergebnisoffen nach einem nuklearen Endlager zu suchen, wäre eine solche Debatte in fünf Minuten zu Ende.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Herr Banaszak, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ernst aus der Fraktion Die Linke?

Felix

Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber gerne.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] an den Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] gewandt: Klaus, lass es!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Herr Ernst, Sie haben das Wort.

Klaus Ernst (DIE

LINKE):

Vielen Dank. – Herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen.

Meine erste Bemerkung; ich komme nicht darum herum. In dem Moment, in dem man den Versuch unternimmt, das zu tun, was Herr Habeck sagt, nämlich sich

darum zu kümmern, dass wir mehr Energie, dass wir mehr Gas, dass wir mehr Öl und Sonstiges herbekommen, wird einem vorgeworfen: Das ist im Interesse Putins, das

sind Putin-Leute.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist so!)

Es tut mir leid, aber diese Form der Auseinandersetzung – ich weiß nicht, ob das Ihr Stil ist – finde ich diesem Haus unangemessen.

(Beifall bei der LINKEN und der AfD)

Die zweite Bemerkung. Wir haben nun mehrfach erlebt, dass Vertreter der Koalition darauf hinweisen, dass 16 Jahre lang eine falsche Politik betrieben

worden ist. Das wissen wir inzwischen, Sie haben das ja oft genug gesagt. Was Sie aber schuldig bleiben, ist die Antwort darauf, wie Sie die gegenwärtige Krise

nun wirklich bewältigen wollen.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

– Da könnt ihr euch aufregen, wie ihr wollt. – Ich habe den Eindruck, über Ankündigungen wie „Wir wollen“ und „Wir werden“ kommen wir überhaupt nicht

hinaus.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben bis jetzt keine Lösung zum Beispiel für die Raffinerie in Schwedt. Sie haben keine Lösung für das, was uns im Winter blüht. Sie haben keine

Lösung, wie wir genug Energie herkriegen.

Gleichzeitig lehnen Sie aber eine Möglichkeit ab, von der wir auch nicht wissen, wie sie endet. Aber man kann doch zumindest miteinander reden und

überlegen: Wie kriegen wir denn mehr Gas und mehr Öl her? Das könnten wir doch machen. Wenn Sie das ablehnen, dann kann ich Ihnen sagen: Dann stimmt es

natürlich, dass Ihnen andere Interessen wichtiger sind als die, die die Bürger und die Industrie in diesem Lande haben. Das ist wirklich ein Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Felix

Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Ernst, ich habe bei dem, was Sie gesagt haben, das Fragezeichen nicht gehört, aber ich will Ihnen trotzdem gerne antworten.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wir sind hier ja nicht in der Fragestunde!)

Es spricht Bände für Ihre Fraktion – das sage ich auch an Sie, Herr Dr. Bartsch –, dass ausgerechnet diese beiden, Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst,

hier sprechen und dass Sie dazu klatschen. Die beiden fordern – entgegen der Fraktionslinie; das muss man sagen – die Öffnung von Nord Stream 2 und wollen damit

das zentrale Sanktionsargument gegen den Kriegsverbrecher Wladimir Putin außer Kraft setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das kann ja wohl nicht angehen!)

Dass Sie hier eine Täter-Opfer-Umkehr betreiben und Wladimir Putin und Russland quasi zum Opfer eines westlichen Wirtschaftskrieges stilisieren

wollen,

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Nein, darum geht es doch gar nicht!)

obwohl Wladimir Putin nicht nur einen Krieg gegen die Ukraine, sondern über Energie und Hunger auch gegen Deutschland, gegen Europa und gegen den Rest

der Welt führt, ist beschämend. Das sagt alles darüber, was Sie in dieser Debatte gesagt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Tilman Kuban [CDU/CSU])

Kommen wir zurück zur Union. Herr Merz – er ist jetzt leider nicht mehr da, er hat bestimmt andere Termine – hat schon im Juli völlig richtig gesagt:

Wir müssen uns auf Wohlstandsverluste einstellen, wenn wir Frieden und Freiheit unter anderem gegen das, was gerade gesagt wurde, verteidigen wollen. Das ist

völlig richtig. Herr Merz bleibt aber leider die zwei zentralen Antworten schuldig, die sich aus dieser Analyse ergeben. Die eine Frage ist, wie wir diesen

Wohlstandsverlust sozial gerecht verteilen wollen. Das ist die sozialpolitische Frage, die wir mit diesem Entlastungspaket seit dem Wochenende angehen. Die

zweite Frage, die mindestens genauso wichtig ist, ist die ökonomische Frage, nämlich wie wir diesen Wohlstandsverlust begrenzen wollen. Diese Bundesregierung

will und wird den Wohlstandsverlust begrenzen, trotz enormer Herausforderungen. Das hat Robert Habeck gerade überzeugend dargestellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben in der Debatte am Dienstag schon viel über Inflation gehört. Das ist unbestritten eine große Gefahr. Die zweite große Gefahr, die lauert,

ist eine Rezession, eine Rezession mit Abschwung, mit Arbeitslosigkeit, mit einer Bedrohung für ganze Wirtschaftsbranchen. Deswegen ist es richtig, dass die

Hilfen für Unternehmen ausgeweitet werden, dass das Energiekostendämpfungsprogramm für kleine und für mittlere Unternehmen ausgeweitet wird, dass wir den

Spitzenausgleich bei Strom und Energie verlängern und damit 9 000 Unternehmen stabilisieren. Das ist die kurzfristige Antwort auf die wirtschafts- und

energiepolitischen Herausforderungen, die sich hier stellen. Herr Scholz hat gestern gesagt: Wir lösen die Probleme, bevor andere sie erkannt haben. Da wäre ich

ein bisschen vorsichtig. Aber wir haben sie immerhin erkannt. Wir gehen sie an. Sie dagegen können leider nichts anderes, als nur dagegen zu opponieren, ohne

einen eigenen Vorschlag zu machen. Das ist ziemlich bedauerlich

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, neben den kurzfristigen Herausforderungen, vor denen wir stehen, bestehen noch viel größere. Deswegen ist es wichtig,

bei allem, was wir tun, beispielsweise LNG-Terminals schnell ans Netz zu bringen und neue fossile Infrastrukturen zu schaffen, gleichzeitig den Blick für die

Zukunft nicht zu verlieren und die großen Transformationsherausforderungen, vor denen wir stehen und die nicht kleiner geworden sind, intensiv anzugehen: Ausbau

der Erneuerbaren, Ausbau der Elektrolysekapazitäten, damit wir bald Grünen Wasserstoff zur Verfügung haben, damit in der Direktreduktionsanlage von

ArcelorMittal in Hamburg, die jetzt wegen der hohen Produktionskosten vom Netz gehen wird, vielleicht bald schon CO2-neutral Stahl produziert werden kann. In

diesem Haushalt und im Klima- und Transformationsfonds ist ein Rekordbetrag für Energieeffizienz vorgesehen, ein Rekordbetrag für den Ausbau einer

klimaneutralen Wasserstoffinfrastruktur, ein Rekordbetrag beispielsweise auch für das zentrale Innovationsprogramm Mittelstand.

Alles, was Sie immer gefordert und selbst nicht umgesetzt haben, das ist die Politik dieser Regierung: Kurzfristig die Not lindern, langfristig die

Herausforderung angehen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

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