Inflation Reduction Act

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Inflation Reduction Act stellt Europa und Deutschland auf die Probe und vor große Herausforderungen. Auf einige der Herausforderungen und Gefahren will ich gleich noch eingehen. Man kann viel darüber spekulieren, ob alles WTO-konform ist oder nicht, und darüber viel Zeit verbringen oder auch verlieren. Man kann sich auch darüber ärgern. Aber, meine Damen und Herren, sich über etwas zu ärgern, ist ja noch keine Politik. Lassen Sie uns über Politik reden.

Die deutsche und europäische Antwort auf das, was in den USA beschlossen wurde, kann doch auch die Ergreifung einer Chance sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn es ist doch zunächst einmal eine Chance, dass sich die größte Industrienation der Welt auf den Weg macht, beim Ausbau der Erneuerbaren und bei Transformationstechnologien voranzugehen. Es ist doch das Recht der US-amerikanischen Regierung und des Kongresses, kluge ökologische und ökonomische Entscheidungen zu treffen und diese Transformation voranzubringen. Und es ist genauso auch ihr Recht, unkluge ökonomische und ökologische Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise Atomkraft voranzubringen.

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Die sind alle unklug in der ganzen Welt!)

Das alles ist das Recht der Amerikanerinnen und Amerikaner.

Wenn man sich mit den Antworten hier auseinandersetzt, dann finde ich es interessant, Frau Lips, dass Sie ein paar Aspekte, die eigentlich den Kern dieses Inflation Reduction Act ausmachen, nämlich die Transformation voranzubringen, nur am Rande angesprochen haben. Was ist unsere Antwort in Europa und in Deutschland darauf? Doch genau das: dafür zu sorgen, dass wir noch mehr als eh schon bei den Erneuerbaren, bei der Transformation, bei der Wasserstofftechnologie, beim Netzausbau vorangehen, dass wir eine aktive Industriepolitik für die Transformation – in diesem Sinn eine grüne Industriepolitik – und für gute Arbeit in den Zukunftsbranchen voranbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

Aber Sie haben vollkommen recht: Es gibt auch die Gefahr von Abwanderungen dieser Technologien in andere Länder – nicht nur in die USA, sondern auch nach China. Wir haben damit Erfahrung gemacht. Wir hatten mal eine prosperierende Solarindustrie in Deutschland unter einem Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Die blieb auch noch prosperierend unter einem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Und dann kam Peter Altmaier. Durch die Entscheidung, die er gemeinsam mit Ihrer Fraktion getroffen hat, diese sich auf dem Weg zur Marktreife befindliche Industrie künstlich abzuwürgen, ist nicht nur wichtige Wertschöpfung in Deutschland verloren gegangen – 95 Prozent der Solarindustrie ist heute in China; das ist auch eine Gefahr für unsere Souveränität in geopolitischen Auseinandersetzungen –, sondern Sie haben damit bewusst Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet. Diesen Fehler dürfen wir nicht erneut machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das, was mit der Solarindustrie passiert ist, dürfen wir bei Wasserstoff und all den anderen Industrien, die sich jetzt bilden und die wir brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig Wohlstand, Wertschöpfung und Wirtschaftswachstum zu generieren, nicht wiederholen. Wir als Bundesrepublik haben uns damals falsch entschieden. Diesen Fehler machen wir in der Ampel nicht erneut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Deswegen werden wir uns nicht nur mit den klugen Vorschlägen des Bundesfinanzministers – beispielsweise mit den richtigen Anreizen von Superabschreibungen für ökologische und digitale Güter – beschäftigen, sondern beispielsweise auch mit dem, was im Wirtschaftsministerium gerade vorbereitet wird: mit den Klimaschutzverträgen für die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie, mit denen die aktuell hohen Kosten auf dem Weg zur sich lohnenden klimaneutralen Produktion ausgeglichen werden sollen.

Ich bin ja ein politisch interessierter Bürger dieses Landes, und als solcher habe ich mich entschieden, den Newsletter des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU zu abonnieren, die #MerzMail. Dort hat er vor Weihnachten in einem Anfall allgemeiner Schelte gegen die Regierung geschrieben, mit diesen Klimaschutzverträgen würde diese Bundesregierung Staatswirtschaft betreiben und Industrien päppeln, die ansonsten keine Chance hätten. Ich finde, das sollte man sich in der Stahlindustrie, in der Chemieindustrie, in der Zementindustrie zu Gemüte führen. Das ist die Position von Herrn Merz; er möchte nicht, dass diese Industrien eine Chance haben. Wir werden für eine Chance sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Redner ist der Kollege Alexander Ulrich, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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