Nachtragshaushalt 2023

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So kurz vor der Weihnachtspause erleben wir eine Stunde der Wahrheit und lernen viel darüber, was die unterschiedlichen Fraktionen in diesem Haus unter Gerechtigkeit und Verantwortungsbewusstsein verstehen. Herr Frei, ich will mit einem Missverständnis aufräumen: Wir erwarten gar nicht, dass Sie solidarisch mit der Ampel sind. Wir erwarten, dass Sie solidarisch mit diesem Land und mit seinen Bürgerinnen und Bürgern sind. Das ist der Unterschied.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, können Sie sich vorstellen, dass Angela Merkel 2021, in der Stunde der Krise, erst ein kreditfinanziertes Sondervermögen für die Betroffenen der Flutkatastrophe schafft, dann mit einer Klage auslöst, dass dieses Sondermögen nicht mehr genutzt werden kann, und sich dann aus der Verantwortung stiehlt? Ich kann mir das nicht vorstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist der Unterschied zwischen der Frau, die 16 Jahre Kanzlerin war, und dem Mann, der so gerne Kanzler geworden wäre. Das ist der Unterschied zwischen Angela Merkel und Friedrich Merz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

In der Haushaltspolitik steckt immer eine Chance, vielleicht auch in dieser Debatte – um es mit den Worten des Finanzministers zu sagen: eine dornige Chance. Haushaltspolitik entpuppt sich doch in diesen Tagen als Gerechtigkeitspolitik in ihrer brutalsten Form. Denn wenn wir in diesem Land sagen: „Das kann nicht finanziert werden; dafür ist kein Geld da“, dann wissen wir doch, dass die Frage, wofür Geld da ist und wofür nicht, immer eine Frage des politischen Willens ist. Deswegen ist es auch, wenn Geld eingespart werden muss, eine politische Frage, wo das Geld eingespart wird.

Wir sprechen heute auch über das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024. Ich finde es spannend, was wir erlebt haben, als sich die Bundesfamilienministerin unter dem Eindruck eines Sparzwangs entschieden hat, eben nicht bei den Ärmsten zu sparen, sondern bei denjenigen anzusetzen, die wie wir sehr viel oder noch mehr verdienen, und das Elterngeld für diese Menschen zu kappen und eben nicht bei allen, insbesondere nicht bei den Alleinerziehenden, zu kürzen. Hier sehen wir doch, dass Haushaltspolitik Gerechtigkeit schaffen oder sie verhindern kann.

Herr Middelberg, Sie haben gestern in einem Interview und auch heute wieder gesagt, es müsse doch beim Bürgergeld gespart werden. Wenn es der Union wirklich darum geht, soziale Gerechtigkeit walten zu lassen, dann müssen Sie sich doch eine Frage gefallen lassen: Warum haben Sie immer nur dann ein Herz für arme Menschen, wenn es gegen Klimaschutz geht oder wenn man jemanden findet, der noch ärmer ist und auf den man treten kann? Überlegen Sie sich, ob Sie diesen Kurs weiter verfolgen wollen. Das ist ein gefährlicher, ein spaltender Kurs in einer Gesellschaft, die verunsichert ist. Tragen Sie nicht weiter dazu bei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Mehr Menschen in Arbeit ist die Lösung!)

Monatelang liefen Sie durch dieses Haus und sagten: Die Ampel muss sparen, kürzen, priorisieren. – Jetzt priorisiert diese Ampel,

(Christian Haase [CDU/CSU]: Nein! Steuererhöhungen!)

und jede Maßnahme wird von Ihnen skandalisiert. Ich sage Ihnen eins: Vor der Regierungsfähigkeit steht die Oppositionsfähigkeit.

Ich wünsche Ihne frohe Weihnachten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

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