Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine der wichtigsten Währungen in der Politik ist ja die Ehrlichkeit und Redlichkeit. Herr Spahn, bei dieser Währung hat die Union in dieser Debatte ganz radikal ihren Kurs nach unten abstürzen lassen. Das hat ja schon was Absurdes. Ich habe gerade mitgezählt: Ich glaube, Sie haben mindestens 19-mal – vielleicht habe ich es ein paarmal überhört – das Wort „Kohlekoalition“ hier in den Raum gerufen – 19-mal das Wort „Kohlekoalition“! Das hat ja schon was Obsessives.
Und besonders obsessiv fand ich, dass Sie das dann auch noch bei der Rede meiner Kollegin Kathrin Henneberger gemacht haben.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja! – Zuruf des Abg. Steffen Bilger [CDU/CSU])
Wenn man einer Person in diesem ganzen Haus wirklich nicht den Vorwurf machen kann, auch nur im Verdacht zu stehen, irgendeine Sympathie für die Nutzung von Kohlekraft zu haben, dann ist es Kathrin Henneberger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Aber es passiert ja! Wodurch wird denn die Kernkraft ersetzt? Wodurch wird sie denn ersetzt?)
Das Interessante ist ja, dass Sie sich das Thema Kohle, also die negative Bedeutung der Kohlekraftwerke, ausschließlich und erstmalig bewusst gemacht haben, als Sie sich gedacht haben: „Das könnte doch ein spannender Vorwurf gegen die Ampelkoalition sein“
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein berechtigter noch dazu!)
– dazu komme ich gleich –, weil Sie die vermeintlich klimafreundlichen Atomkraftwerke gerne weiterlaufen lassen wollen.
Wir haben ja hier blöderweise nicht nur seit einem Jahr Parlamentsdebatten dazu laufen, sondern das geht ja schon ein bisschen länger. Ich kann mich an keine Debatte hier im Deutschen Bundestag erinnern, wo die Union aufgetreten wäre oder wo Sie persönlich aufgetreten wären als Kämpfer dafür, den Kohleausstieg vorzuziehen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das muss man ja mal feststellen: Wir haben hier im letzten Jahr den ambitioniertesten Kohleausstieg, den es bislang gab, beschlossen. Ich bin total offen, dass wir das noch ambitionierter machen, dass wir 2030 auch für Ostdeutschland hier ins Gesetz schreiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Bettina Müller [SPD] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn ihr die Kernkraftwerke laufen lassen würdet, bräuchtet ihr weniger Kohle! Wenn die Kernkraft laufen würde, bräuchte es weniger Kohle! Darum geht’s! Darum geht’s! Lassen Sie die Kernkraftwerke laufen, dann stellen wir entsprechend Kohle ab!)
Absolut! Ja, da haben Sie uns voll an Ihrer Seite. Aber das ist ja nicht mit Ihrer Unterstützung passiert.
Es brauchte doch eine Kohlekommission, weil Sie nicht in der Lage waren, in den Jamaikasondierungen damals auch nur einen zentralen Schritt auf die Grünen zuzugehen, das Jahr des Kohleausstiegs von damals – 2045 – ein Stück weit vorzuziehen. Dann ist es mit der Kohlekommission gelungen, es auf 2038 vorzuziehen. Jetzt sorgen wir dafür, das auf 2030 vorzuziehen und Kohle im Boden zu lassen,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn bis dahin Gaskraftwerke gebaut sind!)
und Sie tun so, als wäre das Ihr Interesse. Ich finde das heuchlerisch.
Und heuchlerisch finde ich noch etwas. Das ist der zweite Punkt, wo es mit der Redlichkeit und der Ehrlichkeit bei Ihnen heute nicht so weit vorangeschritten ist; die Kollegin Nina Scheer hat schon darauf hingewiesen. Sie müssen es schon sehr ehrlich sagen: Geht es Ihnen darum, dass Sie Atomkraft als eine klimafreundliche Energieerzeugung sehen? Wenn ja, dann verstehe ich nicht, warum Sie sagen: Das soll nur bis Ende dieses Jahres gehen. Sie schreiben, dass Sie das nur bis zum Ende dieses Jahres machen wollen.
(Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Nein, nächsten Jahres! 2024!)
Dann müsse man es noch mal überprüfen, dann solle es vielleicht ein Rückbaumoratorium geben. Das bedeutet doch einfach einen Reservebetrieb, der den Staat Milliarden kosten wird, die wir brauchen, um in die Erneuerbaren zu investieren, also das zu machen, was Sie nie getan haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Seien Sie ehrlich: Wollen Sie für immer Atomkraftwerke laufen lassen, oder geht es Ihnen jetzt um eine kurze Übergangszeit? Wenn es Ihnen um die – –
(Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Es gibt eine Zwischenfrage. Ich weiß nicht, ob Sie sie noch zulassen, Frau Präsidentin. Meine Redezeit ist um.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Genau. Deshalb –
Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
… machen Sie es nicht.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
– mache ich es nicht.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Spahn, es tut mir leid. Ich hätte gerne geantwortet. Ich glaube, auch so hat es geklappt.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Der Kollege Spahn hat aber die Möglichkeit, eine Kurzintervention zu machen, wenn er das jetzt möchte.