Wie der wirtschaftliche Aufbruch gelingen kann

Es ist offenkundig – die wirtschaftliche Lage ist getrübt und Anlass zur Sorge gibt es genug: Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Klima- und Transformationsfonds stehen der Bundesregierung viele Milliarden weniger zur Verfügung; die Energiepreisbremsen zur Abfederung des Preisschocks, bedingt durch die gestiegenen Erdgas- und Strompreise durch den russischen Angriffskrieg, sind zum Jahreswechsel ausgelaufen. Der von Robert Habeck vorgeschlagene Industriestrompreis als Entlastungsmaßnahme für die energieintensive Industrie ging nach monatelanger Diskussion in der Koalition in einem abgespeckten Strompreispaket auf. Der darin geplante Bundeszuschuss zur Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte wurde dann vom Verfassungsgerichtsurteil weggefegt. Diese und weitere, auch viele strukturelle Faktoren bewirken, dass in Deutschland weniger investiert wird, als es notwendig wäre. Die Erholungskraft des Standortes bleibt gedämpft.

Und jetzt? Die Transformation zur Klimaneutralität – sperriger Begriff! – steht an einem sehr sensiblen Punkt. Offenkundig spüren wir die Grenzen des Alten und den Handlungsdruck für das Neue. Aber wie genau diese zukünftige Welt aussehen wird, ist nicht überall klar – und noch weniger der Weg dahin. Die allgemeine Verunsicherung in vielen Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft droht, das Vertrauen in den Weg zu einem Wirtschaften im Einklang mit den planetaren Grenzen zu verspielen. Das hat auch damit zu tun, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb um die Industrien und Technologien von morgen mit angezogener Bremse unterwegs ist – mit einer Schuldenbremse, die in ihrer Anlage schlicht aus der Zeit gefallen ist und sich zur Investitions- und damit zur Zukunftsbremse verkehrt hat.

Was also tun? Deutschland muss den Weckruf hören und umsteuern. Wer glaubt, in einer Phase des konjunkturellen Rückgangs mit Sparpolitik und Haushaltskonsolidierung einen Stich machen zu können, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wir brauchen jetzt dringend eine Haushalts- und Fiskalpolitik, die der Größe der Herausforderung gerecht wird. Das globale Wirtschaftsgeschehen sortiert sich im Lichte der großen Umbrüche neu. Investitionen in den Standort – private wie öffentliche – sind notwendig, wenn wir in und nach diesem Umbruch vorne dabei sein wollen. Das wird mit der eng definierten Schuldenbremse, wie sie 2009 CDU/CSU, SPD und FDP in die Verfassung geschrieben haben, nicht gelingen.

Denn das, was so vermeintlich technisch daher kommt – Transformation! – bedeutet im Kern, dass wir den größten Umbau unseres Wirtschaftssystems seit der industriellen Revolution organisieren müssen. Das gelingt nicht aus der Portokasse heraus. Unsere Wettbewerber haben das längst erkannt. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn wir auf politische Angebote wie den Inflation-Reduction-Act in den USA keine überzeugende europäische, auch keine angemessene deutsche Antwort haben. 

Als erstes brauchen wir öffentliche Investitionen in unsere Infrastruktur – Schienen und Straßen, Netze, Digitalisierung, Bildung, und und und. Hier hat sich über Jahrzehnte ein Investitionsstau aufgebaut, dessen Auswirkungen wir jeden Tag spüren, wenn wir zur Arbeit wollen oder unsere Kinder in die Schule bringen. Und zum zweiten geht es um Anreize für private Investitionen. Der Abbau von Bürokratie, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und die konsequente Hebung von Fachkräftepotenzialen ist wichtig und ist auch auf dem Weg – aber ohne, dass wir auch öffentliches Geld bereitstellen, das wiederum private Investitionen hebelt, wird es nicht gehen.

Als grüne Bundestagsfraktion schlagen wir deshalb einen „Deutschland-Investitionsfonds“ für Bund, Länder und Kommunen vor. Er soll über Kredite Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz, Bildung und die Wirtschaft von morgen finanzieren. Die Rendite streichen wir als Volkswirtschaft dann durch zukünftige Steuereinnahmen ein. Das ist ökonomisch klug und es hilft uns noch dazu, unsere Klimaziele zu erreichen. Damit ein solcher Fonds kommen kann, muss die Schuldenbremse im Grundgesetz reformiert werden. Immer mehr Menschen – Bürgerinnen und Bürger, der Sachverständigenrat der Bundesregierung, arbeitgebernahe Ökonom*innen und ja, auch Ministerpräsidenten der CDU – sprechen sich für eine solche Reform aus. Es wäre gut, wenn es nicht erst nach der nächsten Bundestagswahl eine Mehrheit dafür in Bundestag und Bundesrat gäbe.

Ich möchte an dieser Stelle auch die Gelegenheit nutzen, erfreuliche und Hoffnung gebende industriepolitische Entwicklungen nach vorne zu stellen. Denn im Schatten der großen Gewitterwolken arbeiten wir in der Bundesregierung und im Bundestag intensiv daran, die Unternehmen im Land durch diese Zeit und in eine neue zu führen. Mit diesem Jahr kommen dem Werkzeugkasten für die Transformation wichtige Tools hinzu: die Klimaschutzverträge, das Wasserstoff-Kernnetz, die Förderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft – um nur einige zu nennen. Wie diese Instrumente einen positiven Beitrag leisten, will ich kurz skizzieren:

  • Heute (12.03.2024) hat Robert Habeck das erste Gebotsverfahren für die Klimaschutzverträge gestartet. Zuvor hat die Europäische Kommission nach ihrer beihilferechtlichen Prüfung grünes Licht für das Instrument gegeben. Diese sollen Anreize für eine klimafreundliche Industrieproduktion leisten und durch Wachstumsimpulse die deutsche Wirtschaft ankurbeln. Das Prinzip hierbei ist, dass Investitionen in nachhaltige Technologien in der energieintensiven Industriebranche wie der Stahl-, Zement-, Papier- oder Glasindustrie solange unterstützt werden, bis sie sich von selbst rentieren. Unterstützt werden Unternehmen bei diesem Prozess durch Bundesfördermittel Höhe von vielen Milliarden Euro. Los geht die erste Ausschreibung für das Antragsverfahren in Kürze. Das Instrument leistet also nicht nur einen Beitrag zum nationalen Klimaschutz, sondern auch für die Industrie und stärkt den Innovationsstandort Deutschland. Ein Vorteil in dreifacher Hinsicht und ein Instrument, das aus meiner Sicht dringend nötig ist.

  • Im Wasserstoffbereich geht es ebenfalls mit großen Schritten voran: Die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes für die Regelung zu einem bundesweiten Wasserstoff-Kernnetz befindet sich gerade in der parlamentarischen Beratung. Genauer gesagt geht es aktuell um die Finanzierung der von Robert Habeck so betitelten “Bundesautobahn” für Wasserstoff, mit der eine flächendeckende Versorgung von Industriezentren mit grünem Wasserstoff ermöglicht und mit der die Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland maßgeblich vorangetrieben wird. Als Beispiel: In der Stahlindustrie lassen sich je Tonne eingesetzten klimaneutralen Wasserstoffs 28 Tonnen CO2 einsparen – damit geht also eine gewaltige Klimaschutz-Wirkung einher, schließlich werden hierzulande ca. 35-40 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr hergestellt. Ich bin zuversichtlich, dass die am Wasserstoff-Kernnetz beteiligten Akteure zu einer Einigung für ein kapitalmarktfähiges Konzept kommen und damit ein weiterer Meilenstein für den investitionssicheren Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft geleistet wird. Mitberatend begleite ich diesen Prozess als zuständiger Haushalts- und Industriepolitiker.

  • Vor einigen Wochen hat die Europäische Kommission 24 deutsche Wasserstoff-Projekte genehmigt und damit den Weg für staatliche Beteiligungen an den Infrastrukturprojekten in Höhe von 4,6 Milliarden Euro freigemacht. Diese gute Nachricht erfreut nicht nur die Projektverantwortlichen; insgesamt kann die damit unterstütze Wasserstoffwertschöpfungskette in Deutschland auf einen Booster für den Hochlauf des grünen Gases bauen. Gemeinsam mit den geförderten Unternehmen und den Bundesländern, die an der finanziellen Förderung der Projekte mit jeweils 30% beteiligt werden, kann das Bundeswirtschaftsministerium jetzt in die Umsetzung gehen.

  • Mit der novellierten Förderrichtlinie für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) können Unternehmen seit Mitte Februar unbürokratischer Anträge auf Fördermittel zur Dekarbonisierung stellen. Neuer Bestandteil ist unter anderem der “Dekarbonisierungsbonus”, der für Vorhaben zur Elektrifizierung mit erneuerbarem Strom, außerbetrieblichen Abwärmenutzung sowie Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff ausgeschüttet wird. Vorhaben, die einen Förderbescheid erhalten, können auf eine Fördersumme von 15 bis 20 Millionen Euro hoffen.

  • Um die Energiepreise bezahlbar zu halten, hat die Bundesregierung mit der Einigung zum Bundeshaushalt eine Stromsteuersenkung für energieintensive Unternehmen auf 0,05 Cent pro Kilowattstunde für dieses und das Folgejahr, insgesamt ein Volumen in Höhe von 3 Milliarden Euro, beschlossen. Zudem werden etwa 350 Unternehmen, die am stärksten im internationalen Wettbewerb stehen, bei den Strompreisen entlastet. Konkret geht das durch wegfallende Kosten beim CO2-Emissionshandel, die normalerweise bei der Stromproduktion anfallen und zu zahlen sind, geleistet. Die 90 besonders stromintensiven Unternehmen im Land werden in den nächsten fünf Jahren zudem bei weiteren emissionshandelsbedingten Kosten unterstützt.

  • Mit dem Aufbau eines Rohstofffonds, der mit der Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2024 auf den Weg gebracht wurde, bekommt Deutschland einen Resilienzbooster im internationalen Standortwettbewerb um Zukunftstechnologien und den Zugang zu dringend benötigten Rohstoffen für einen zukunftssicheren Wirtschaftsstandort. Der Rohstofffonds ist damit Teil einer aktiven Grünen Industriepolitik für Transformation und Resilienz. Vor allem die Klima-Industrien – also Batterie-, Solaranlagen- oder Elektrolyseurproduktion – profitieren von der damit einhergehenden Planungs- und Kostensicherheit. In Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und Verwerfungen ist die strategische Sicherung des Zugangs zu entscheidenden Rohstoffen von zentraler Bedeutung für eine bezahlbare Transformation. Mehr als 1,2 Milliarden Euro liegen für die staatliche Beteiligung an zentralen Rohstoffprojekten bereit.

Diese Liste zeigt, was bereits alles getan und auf den Weg gebracht wurde. Es wird am Ende nicht ausreichen, zeigt aber den Weg und das Commitment. Als Grüne wollen wir dafür sorgen, dass dieses Land klimaneutral wird – und dabei Industriestandort bleibt. Jetzt müssen andere über ihren Schatten springen.

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