Wie weiter mit dem Stahl? Wie weiter mit dem Standort Duisburg?

Es sind unruhige und hoffnungsgebende Wochen zugleich für „den Stahl“. Während auf der Hannover-Messe ein Zertifizierungssystem für „Grünstahl“ vorgestellt wird, bangen bei mir in Duisburg die Stahlarbeiter*innen um ihren Job. Wie geht es nun weiter – im Ruhrgebiet und darüber hinaus? Ein Versuch, die Debatte zu ordnen.

Auf der Suche nach einem Zukunftsplan für den Stahlstandort Duisburg

Vor gut zwei Wochen hat der Vorstand von thyssenkrupp Steel Europe (tkse) angekündigt, in Reaktion auf ein zunehmend angespanntes und unfaires internationales Wettbewerbsumfeld die Produktionskapazitäten – den sogenannten Betriebspunkt – von derzeit etwa 11,5 auf neun bis 9,5 Millionen Tonnen Stahl zu reduzieren. Die genauen Pläne werden jetzt erarbeitet. Ich habe meine klare Erwartung geäußert, dass die Beschäftigten in diese Planungen einbezogen werden, dass die geltenden Vereinbarungen gelten und betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.

Jetzt am Dienstag kommen um 10:00 Uhr die Beschäftigten zur großen Betriebsversammlung im Duisburger MSV-Stadion zusammen. Auch ich werde selbstverständlich dabei sein und stehe am Rande der Versammlung – ebenso wie am Tag der Arbeit im Landschaftspark Nord und zum Schichtwechsel am Tor 3 Donnerstagfrüh von 5 Uhr bis 6 Uhr – für Gespräche bereit.

Die Verkaufspläne gehen in die nächste Runde

Wohl in einem Zusammenhang zu diesen Planungen ist die gestrige Information zu verstehen, dass die EPCG-Gruppe des tschechischen Investors Daniel Křetínský mit zunächst 20 Prozent bei tkse einsteigen will und weitere Gespräche über einen Verkauf von bis zu 50 Prozent des Unternehmens geführt werden. Es ist davon auszugehen, dass der zukünftige Teilinhaber bei den weiteren Planungen zur Entwicklung des Unternehmens mitreden wollen wird.

Um die Ankündigung bewerten zu können, wären weitere Informationen über die konkreten Konditionen und die Planungen für die Entwicklung der Standorte nötig. Die Betriebsversammlung in der nächsten Woche wäre eine gute Gelegenheit, Licht ins Dunkel zu bringen. Die Beschäftigten verdienen in dieser Lage absolute Transparenz. Es wäre gut, wenn thyssenkrupp-CEO Miguel López seine Absage dafür noch einmal überdenken würde.

Ich erneuere hiermit meine Erwartung, dass sich das thyssenkrupp-Management auch langfristig zum Standort bekennt und die Arbeitnehmerseite auf Augenhöhe in die weiteren Überlegungen einbindet. Das Bekenntnis zu den Vereinbarungen bis 2026 ist eine Selbstverständlichkeit. Es muss jetzt darum gehen, auch über die nächsten Jahre hinaus verbindliche Vereinbarungen für eine nachhaltige Entwicklung der Standorte und gute Arbeit auch in Zukunft zu erzielen.

Wer bei thyssenkrupp Steel einsteigen will, muss bereit sein, Kapital für die nötigen Investitionen in den Bestand und natürlich auch in die Transformation zur klimaneutralen Produktion einzubringen. Insofern sind noch viele Fragen zu klären.

Die „Grünstahl“-Definition schreitet voran

Bund und Land unterstützen nicht nur thyssenkrupp Steel in Duisburg, sondern auch die Stahlstandorte in Salzgitter, in Bremen und im Saarland mit Förderungen in Milliardenhöhe bei der Umstellung ihrer Produktionsprozesse zur klimaneutralen, wasserstoffbasierten Rohstahlproduktion. Klar war immer, dass diese Zuschüsse zu Investitions- und zunächst erhöhten Produktionskosten vor allem den Anschub zur Transformation unterstützen sollen und es dauerhaft darum gehen muss, dass „grüner“ Stahl marktfähig wird.

Dazu haben das Bundeswirtschaftsministerium und auch unsere grüne Bundestagsfraktion gemeinsam mit den Stakeholdern in den letzten Jahren an der Konzeption „grüner Leitmärkte“ gearbeitet. Die Idee dahinter ist, dass etwa für die öffentliche Beschaffung oder auch bei Ausschreibungen für Windenergieanlagen qualitative ökologische Kriterien eine stärkere Rolle spielen sollen, zum Beispiel über Einsatzquoten. Ein zentraler Baustein bei der Entwicklung solcher Leitmärkte ist eine verbindliche, möglichst international anschlussfähige Definition und Zertifizierung „grüner“ Produkte.

Auf der Hannover-Messe haben Robert Habeck und die Wirtschaftsvereinigung Stahl mit „LESS“ ein solches Zertifizierungssystem vorgestellt, das ab der zweiten Jahreshälfte zum Einsatz kommen soll. Das ist zwar nur der erste, aber ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg, den Instrumentenkasten für die industrielle Transformation zu erweitern.

Was nun zu tun ist

Gesellschaftlicher, ökonomischer und technologischer Fortschritt sind keine linearen Prozesse, sondern oftmals anstrengende Aushandlungen mit Rückschlägen und hoffnungsgebenden Erfolgen zugleich. Meine Überzeugung bleibt, dass uns die Transformation gelingen kann und wird, wenn wir sie weiter entschlossen anpacken, Risiken frühzeitig erkennen und offen adressieren und bereit sind, ausgetretene Pfade und ordnungspolitische Weisheiten hinter uns zu lassen.

Eine aktuelle Zahl lässt die Stahlbranche etwas hoffen: Die deutschen Standorte produzieren seit Jahresbeginn wieder mehr Rohstahl. Das spricht für eine verhalten positive Entwicklung. Also: Ärmel hochkrempeln und weitermachen! Mein persönlicher Einsatz – als Duisburger, als Gewerkschaftsmitglied und als Grüner – steht.

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