Wirtschaftsstandort Deutschland

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Bekenntnis beginnen: Ich hasse Bürokratie. Ganz persönlich: Ich, Felix Banaszak, hasse Bürokratie. Nichts nervt mich mehr; ich finde es todesnervig. Es treibt mich in den Wahnsinn, wenn ich wieder einmal für einen einfachen Antrag im Amt glaube, mein Studium wiederholen oder eine andere Ausbildung machen zu müssen. Ich hasse es einfach.

Ich glaube, so geht es vielen in diesem Raum, so geht es wahrscheinlich auch vielen auf den Tribünen.

(Tino Chrupalla [AfD]: Sie haben noch nie einen Antrag ausgefüllt!)

Und vor allem geht es sehr vielen Unternehmerinnen und Unternehmern so, die diese Bürokratie nicht nur als eine persönliche Belastung empfinden, sondern die diese Bürokratie auch davon abhält, kluge Investitionsentscheidungen zu treffen, beispielsweise in den Standort Deutschland. Deswegen ist vollkommen klar, dass wir dieses Problem nicht einfach als irgendeines, das man irgendwann mal angehen kann, betrachten, sondern dass wir es jetzt sehr ernsthaft angehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Weil das so ist, meine Damen und Herren, möchte ich an dieser Stelle gerne mit einigen Mythen zum Thema Bürokratieabbau aufräumen. Der erste Mythos ist, dass Bürokratie immer die Folge von irgendwelchen komischen grün-linken Vorstellungen zum Klimaschutz, zu Arbeitnehmer/-innenrechten, Menschenrechten, Kinderarbeit oder so etwas ist.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Aber ein Indiz ist es schon!)

Der zweite Mythos ist, dass die Unionsfraktion, die diesen Antrag eingebracht hat, über den wir heute entscheiden, mit Bürokratie noch nie etwas zu tun hatte und schon immer hart dagegen gekämpft hat. Und der dritte Mythos ist, dass sich Bürokratie dadurch abbauen lässt, dass man darüber redet.

Ich möchte mit dem ersten Mythos beginnen. Ich denke dabei an Gerd Müller. Einige von Ihnen erinnern sich noch an ihn,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Super Mittelstürmer!)

viele von Ihnen mochten ihn noch nie so besonders gerne. Sie gucken wahrscheinlich gerade, ob in Ihren Redemanuskripten das Wort „Lieferkettensorgfaltsgesetz“ drin ist.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz!)

Das war ein Gesetz von Gerd Müller.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Macht es ja nicht besser!)

Seien Sie doch nicht immer so hart zu Gerd Müller! Seien Sie doch nicht immer so hart zu Ihren Leuten, Herr Spahn, Frau Klöckner; das werden Sie sicherlich gleich sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Macht es nicht besser!)

Nehmen Sie doch auch die großen Fortschritte zur Kenntnis, die mit Gerd Müller und mit vielen weiteren Gesetzen von Ministerinnen und Ministern aus Ihrer Riege einhergegangen sind, über die Sie gleich reden werden.

Zum zweiten Mythos, dass die Union mit alldem nie etwas zu tun hatte. Man müsste angesichts der Reden, in denen man gleich hört,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was Sie schon alles wissen!)

wie die Bürokratie über Jahrzehnte angewachsen ist – eine Regel nach der anderen –, denken, dass die Grünen in den letzten 20 Jahren eine absolute Mehrheit in diesem Laden gehabt hätten. Das ist ja gar nicht der Fall. Es waren Ihre unionsgeführten Regierungen, die eine Regelung nach der anderen in die Gesetze, in die Verordnungen geschrieben haben,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Noch unkonkreter geht es nicht!)

über die wir heute reden. Deswegen: Wir helfen gerne dabei, das anzugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gerald Ullrich [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was ist denn jetzt der Wert Ihrer Rede?)

Der dritte Mythos ist, dass sich Bürokratie dadurch abbauen lässt, dass man auf irgendwelchen Podien und in Talkshows darüber redet, dass jetzt endlich mal was getan werden muss. Das wird dann mit so großen Begriffen getan wie: „One in, one out“ – nein, das reicht nicht aus –, „One in, two out“, „One in, three out“. Mal gucken, wie viele solcher Begriffe es werden.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: „One out“ reicht heute!)

Bürokratie baut man dadurch ab, dass man sich anschaut, wo sie entstanden ist, meine Damen und Herren. Und das hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in den letzten Monaten intensiv gemacht – mit der ganzen Bundesregierung und vor allem mit denen, die unter dieser unnötigen Bürokratie leiden.

Man muss doch mal anerkennen, dass wir das meiste, was wir an Bürokratie in unseren Gesetzen und Verordnungen haben, nicht deswegen haben, weil sich irgendwelche wahnwitzigen Beamten gedacht haben: „Mensch, wie können wir den Leuten das Leben so schwer wie möglich machen?“, sondern weil damit meistens eine Idee verbunden war und dann eben Kollateralschäden entstanden sind.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: „Nie ist die Bürokratie so stark gestiegen wie im letzten Jahr“! Aussage Normenkontrollrat!)

Von daher baut man Bürokratie dadurch ab, dass man sich Gesetz für Gesetz, Verordnung für Verordnung anschaut und genau guckt, wo etwas entsteht, was wir nicht wollen. Dabei sind 140 Regelungen herausgekommen; 80 davon wurden direkt abgeschafft, 60 davon befinden sich in der Prüfung. Das ist der Weg, wie man Bürokratie abbaut: nicht durchs Reden, sondern durchs Machen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein, Sie bauen keine Bürokratie ab! Sie bauen auf! Plus 54 Prozent! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt ist noch gar nichts abgeschafft! Gar nichts ist abgeschafft bis jetzt! Wo ist denn das Gesetz?)

Das zeichnet diesen Wirtschaftsminister aus, das zeichnet diese Bundesregierung aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause, seien Sie sich sicher, dass diese Regierung, bis sie in einigen Jahren

(Jens Spahn [CDU/CSU]: In einigen Wochen!)

sich zur Wiederwahl stellen wird, noch mehr erledigen wird,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist eine Drohung!)

um Bürokratie abzubauen, damit nicht nur die persönliche Bedrängnis durch viele Formulare, sondern eben auch das Investitionsrisiko durch die überbordende Bürokratie, für die Sie verantwortlich sind,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein, Sie! Meine Güte!)

endlich ein Ende hat.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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