Wirtschaftsstandort Deutschland: Bürokratieabbau

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ja ein Freund der freien Rede, aber, Herr Willsch, frei von Verstand, frei von Logik, frei von Konzept, das ist, glaube ich, nicht damit gemeint.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auch durch ein paar Schenkelklopfer und Altherrenhumor wird es nicht besser.

Frau Klöckner, ich will gerne dort weitermachen, wo Sie geendet haben. Sie haben am Ende gesagt: Das Zentrale ist „one in, two out“. Für jede neue Regelung, die erlassen wird, sollen also zwei Regelungen wegfallen. Das ist eine Logik, bei der angesichts ihrer Unterkomplexität niemand auf die Idee käme, sie in irgendeinem anderen Bereich anzuwenden. Ich habe mich einmal gefragt: Würden wir das beispielsweise im Strafrecht diskutieren? Würden wir also mit jedem neuen Straftatbestand in den Bereichen Unternehmens- oder Finanzkriminalität beispielsweise den Straftatbestand „schweren Raub“ aus dem Strafgesetzbuch streichen?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist doch ein Blödsinn!)

Man muss sich doch fragen, ob die Vorschläge, die man macht, mehr als ein Buzzword sind, das schön klingt – „one in, two out“, „one in, three out“, „one in, four out“ –, ob etwas dahintersteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das, was dahinterstehen sollte, ist eine substanzielle Politik, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt und die Wirtschaft stützt, schützt, entlastet und nach vorne bringt. Davon war wieder nicht die Rede.

Ich hatte mich gefreut, als ich gesehen habe, dass wir zu so prominenter Zeit über die Belastungen und die Herausforderungen für unseren Wirtschaftsstandort sprechen. Man hätte sich beispielsweise Gedanken darüber machen können, wie sich die klimatischen Veränderungen, mit denen wir uns befassen, auf die Wertschöpfungsketten in der Wirtschaft auswirken werden. Mehrere Jahre in Folge gab es so wenig Wasser im Rhein, dass weniger Güter über ihn transportiert werden konnten. Das wäre ein spannendes Thema gewesen, über das man im Zusammenhang mit der Resilienz unseres Wirtschaftsstandortes hätte diskutieren können – eines von vielen möglichen Themen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir hätten darüber sprechen können, wie die Situation vor einem Jahr oder anderthalb Jahren war, als wir diese Regierung mit übernommen haben. Herr Amthor, Sie haben gesagt, wir könnten dankbar sein für 16 Jahre Unionspolitik. Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Unternehmer, der jetzt mit gestiegenen Energiepreisen konfrontiert ist, gar nicht so dankbar ist,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass uns die letzten Bundesregierungen systematisch abhängig gemacht haben von autoritären Infrastrukturen für fossile Energien in Russland. Und ich kann mir vorstellen, dass sich die gleichen Unternehmer eine Bundesregierung wünschen, die unter Wirtschaftspolitik versteht, nicht nur die Herausforderungen der nächsten zwei Wochen oder der nächsten zwei Minuten Redezeit in den Blick zu nehmen, sondern die sich die Herausforderungen der nächsten zwei Jahrzehnte zu Gemüte führt und daraus substanzielle Politik ableitet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn in der Wirtschafts- und Industriepolitik das Thema Bürokratie – eine reale Herausforderung, über die heute viel gesprochen wurde – das einzige ist, womit sich die größte Opposition beschäftigt, dann kann es ja eigentlich nicht so schlecht aussehen. Ich glaube aber, wir haben große Herausforderungen. Diese Regierung, diese Koalition nimmt sich dieser Herausforderungen an. Vielleicht haben Sie den einen oder anderen Vorschlag, was wir noch besser machen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wenn es sein muss, drei Tage lang im Kanzleramt!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Alexander Bartz hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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